Heute mal zum Thema Bodyshaming. Diesen Begriff gab es noch nicht, als ich eine jüngere Frau war und mir das passiert ist, was er ausdrücken soll. Ich teile hier eine persönliche Erfahrung, die natürlich nicht repräsentativ ist. Mir ist aufgefallen, dass ich Bodyshaming zumeist von anderen Frauen erfahren habe. Von Männern so gut wie gar nicht. Ist doch verrückt oder? Angefangen hat es in meiner Herkunftsfamilie, mit zwei mir sehr nahestehenden weiblichen Personen, beide waren Frauen mit großen Brüsten und ein paar Kilos mehr auf den Rippen. Über verschiedene Bemerkungen haben sie mir als heranwachsende Jugendliche immer wieder suggeriert, dass Frauen mit kleinen Brüsten etwas fehlen würde. Als ich mir zur Jugendweihe ein bestimmtes Kleid gewünscht habe, haben sie mir gesagt, dass ich sowas nicht tragen könne, weil das albern aussähe, ohne Dekolleté. Sie haben vor mir über die kleinen Brüste einer Nachbarin gelästert. Heute ist mir aufgefallen, dass ich diese Bemerkungen all die vielen Jahre noch in mir trage und unbewusst immer wieder in mir hin und her schiebe und abwäge und es daher irgendwie etwas rebellisches geblieben ist, selbstbewusst zu meinem Körper zu stehen. Aber ich merke genauso, dass ich mir seit jeher genau die Kleider gönne, von denen sie damals gesagt haben, ich könne sie nicht tragen. Sie machen sozusagen eine Facette meines Stils aus und ich finde sie stehen mir ausgezeichnet.
Ich habe gleich bei meinem ersten Geliebten positive Erfahrungen gemacht, denn er lobte ausdrücklich die Süße meiner Brüste, weil er ganz speziell kleine Brüste besonders mochte. Das war natürlich ein heiler Start ins Liebesleben, immerhin habe ich so gleich mal erfahren, dass es Männer gibt, die genau das schön finden. Ich habe auch nie von einem Liebhaber gehört, dass meine Brüste zu klein wären. Aber ich hatte unterschwellig oft Sorge, dass einer das denken könnte. Wahrscheinlich habe ich einfach nie Männer angezogen für die das irgendwie von entscheidender Bedeutung gewesen wäre. Es gab mal einen Arzt, bei dem ich in Behandlung war, der mir unangemessenerweise sagte, ich solle doch in der Öffentlichkeit einen BH tragen. Er fand das anscheinend zu freizügig, dass man meine Brustwarzen durchs Shirt sehen konnte. Ehrlich gesagt, Herr Doktor, ist es recht schwierig BHs in meiner Größe zu finden und irgendwie machen die bei mir auch keinen rechten Sinn. Büstenhalter sind ja für Brüste, die Halt brauchen
Früher habe ich meine Brüste eher verborgen. Dann habe ich einmal vor vielen Jahren auf einem Seminar eine junge Frau getroffen. Sie war Asiatin, hatte so kleine Brüste wie ich und trug nur ein weißes T-Shirt durch das man ihre feinen Rundungen und die Nippel gut sehen konnte. Ich fand das sah total schön und erotisch aus. Und dieser Anblick hat mich dann ermutigt, das, was mir gegeben ist, mehr zu betonen. Es ist ja auch vollkommen normal, Dekolleté zu zeigen und auch kleinere Äpfel gehören zum bunten Garten der Schönheit.
Naja. Jedenfalls immer und immer wieder wurde ich von anderen Frauen, die mit den großen Brüsten und den paar Kilos mehr als ich auf den Rippen, beschämt. Eine ältere Frau hat mir einmal gesagt, meine Brüste würden wachsen, wenn ich mehr in meine Weiblichkeit kommen würde. O Gott, das hat gesessen, denn ich hielt diese Frau damals für besonders spirituell und weise. Auch habe ich von diesen Frauen immer wieder das Feedback bekommen, ich müsse zunehmen, ich sei zu dünn, ob es mir nicht gut gehe. Solche Bemerkungen kamen besonders gerne, als fiese Giftpfeile angeflogen, wenn ich mich eigentlich gerade ausgesprochen gut fühlte und entfalteten ihre Wirkung in mir, die sich durch Selbstzweifel, Scham und den Wunsch mich vor der Welt zu verstecken bemerkbar machte.
Abschließend nun mal ein Realitycheck. Meine kleinen Brüste haben vier Babys für jeweils mindestens 12 Monate satt gemacht. (In Schwangerschaft und Stillzeit waren sie dann auch mal um einiges größer. Erfahrung abgehakt.) Meine kleinen Brüste schenken mir außerdem verlässlich viel Freude und feine Höhepunkte. Und daher muss ich all den Frauen heute widersprechen, die mir aufgrund dieses körperlichen Merkmals einen Mangel an Weiblichkeit attestierten. Mit meinen Brüsten ist alles in Ordnung. Die sind ganz groß, wenn es um meine Weiblichkeit geht. Mit Ende 20 hab ich "Die Wolfsfrau" von Clarissa Pinkola Estés gelesen. Ein Poem daraus ist immer bei mir geblieben, er steht für die Aussöhnung mit meiner Weiblichkeit:
Here is what I have
lil tits
big thights
and so much love.
Kommentar schreiben